Ein Journalist undercover im Flüchtlingsheim – so lautet der Untertitel dieses mehr als lesenswerten Buches. Es ist eine Recherche, eine Bestandsaufnahme und eine Warnung. Shams Ul-Haq weiss, wovon er spricht, vor 26 Jahren kam er selbst als Flüchtling nach Deutschland. Er erlebte eine distanzierte, aber nicht feindselige Stimmung, er erlebte Integration auf eine andere Art als heute. Er ist Journalist und Terrorismus-Experte geworden. Mit diesem Hintergrund konnte er Einblicke in Flüchtlingsheime in Deutschland, Österreich und der Schweiz nehmen, die kein Sozialarbeiter, kein Politiker und keine Kameras der Nachrichtensender je erhalten werden.
Die Bestandsaufnahme von Flüchtlingslagern in Deutschland, Österreich und der Schweiz fällt schlecht aus. Ul-Haq verbrachte hier undercover und mit falschen Identitäten Zeit. Allein die Tatsache, dass es keine Vernetzung der Erstaufnahmelager untereinander gibt und somit eine Überprüfung der Personalien faktisch unmöglich ist, lässt vermuten, wie einfach es ist, unter falschem Namen einzureisen. So war Shams Ul-Haq in Dresden als Hamid Mustafa registriert, in Berlin als Jamal Ramiri und unter wieder anderen Namen in Österreich und der Schweiz. Allein dieser Punkt stimmt nachdenklich, unter dem Aspekt der nicht von der Hand zu weisenden Terrorgefahr sollte doch der wichtigste Punkt – die Identität eines Menschen – ohne Zweifel feststehen. Letztlich ist dieser Umstand der mangelnden Vernetzung, basierend auf dem Unvermögen der einzelnen Behörden einen Austausch vorzunehmen, eine Einladung für alle Terrororganisationen Kämpfer, Schläfer und Anwerber auszusenden. Dass dies auch so zutrifft, beschreibt Ul-Haq im weiteren Verlauf des Buches.
Ein weiteres wichtiges Thema ist die massive Überforderung in den Erstaufnahmelagern auf beiden Seiten. So musste sich Ul-Haq beispielsweise in der Schweiz zur Erheiterung der Grenzbeamten völlig entkleiden und einer Leibesvisitation unterziehen. Der Umgang durch Grenzbeamte, Mitarbeiter der Camps und Sicherheitspersonal ist nicht selten geprägt von Gewalt – physischer und psychischer Natur. Immer wieder kommt es zu Vorfällen in Flüchtlingsheimen, auch hier legt Ul-Haq den Finger in die Wunde: Innerhalb der Camps hat sich eine Mafiöse Struktur entwickelt: Schleuserbanden, Geldeintreiber und Fundamentalisten nutzen die Überforderung für ihre Zwecke aus. Es ist kein Geheimnis, dass innerhalb der Camps Gruppierungen beispielsweise die Duschen kontrollieren, den Flüchtlingen erzählen die Deutschen wollten sie zu Christen machen und derlei Unfug mehr. Desillusioniert und erschöpft ist es für Anwerber der Terrororganisationen ein leichtes Spiel neue Kämpfer zu finden.
Ul-Haq zeigt auf die tatsächlichen Probleme in den Camps: enge Räume ohne Privatsphäre, Lebensmittel, die nicht „halal“ zubereitet und somit für die Menschen ungenießbar sind, kaum Möglichkeiten in Ruhe zu beten. Aus seiner Sicht ein guter Nährboden für die Ideen von Fundamentalisten. In zwei Kapiteln beschreibt der Autor die Tricks der Anwerber, einige so simpel, dass es ein leichtes wäre hier entgegenzuwirken. Die Struktur nach der die Anwerber vorgehen ist erkennbar und wird dennoch nicht unterbunden.
Die Frage, warum so viele Menschen unbedingt nach Deutschland wollen lässt sich wohl nicht so einfach beantworten. Natürlich erzählen Schlepperbanden den Menschen, in Deutschland bekäme jeder ein Haus und ein Auto. Natürlich wird der Eindruck vermittelt, in Deutschland würde jeder Geld vom Staat bekommen. Aber ein weitaus größerer Aspekt ist die Sicherheit. Die Religionsfreiheit, die Pressefreiheit, die Bildungsmöglichkeiten. Aus Shams Ul-Haq Sicht hat die Deutsche Welle einen nicht unerheblichen Anteil an der Flüchtlingswelle, denn diese hätte geradezu massiv für Deutschland geworben. Dazu kommen die PR-Bemühungen der Deutschen Bundesregierung, die sich stets bürgernah zeigt. In Zeiten des Internets ist ein Foto von der Bundeskanzlerin Arm in Arm mit Flüchtlingen binnen Sekunden um die ganze Welt gesendet. Ein Satz wie „In Deutschland sind Flüchtlinge willkommen“ löste ganze Wellen von Einreisewilligen aus. Die Vernetzung über den Globus sorgt für einen regen Informationsaustausch und damit auch für Menschen, die ihr Leben aufs Spiel setzen, um nach Europa zu kommen. Hier wurden nach Ansicht des Autors viele Fehler in der Kommunikation gemacht.
Ein Patentrezept wie die „Flüchtlingskatastrophe“ gelöst werden kann, hat auch der Autor nicht. Wichtig ist dass wir uns darüber im Klaren sind was dieses Wort eigentlich bedeutet: Flüchtlingskatastrophe. Aus Sicht von Ul-Haq liegt die eigentliche Katastrophe noch vor uns. Wir müssen den Herausforderungen ins Auge sehen: Es muss Wohnraum geschaffen werden, ausreichend Deutschkurse angeboten werden können, eine nachhaltige Integration muss gewährleistet sein. Die derzeitigen relativ niedrigen Zahlen der hier ankommenden Flüchtlinge werden künstlich niedrig gehalten, schon bald werden Schlepper neue Routen gefunden haben und sodann werden wieder mehr Menschen nach Europa kommen. Und dann? Es muss eine Integration folgen. Für die heutigen Asylbewerber und deren Nachkommen. Eine Herausforderung, die wir als Gesellschaft auf uns nehmen müssen, denn nur so können wir eine Katastrophe verhindern.
Shams Ul-Haq bemängelt die Einreisemodalitäten nicht nur, er zeigt auch eine Lösung auf. Nach seiner Ansicht müssen die Erstaufnahmelager raus aus dem Land und in das sog. Niemandsland zwischen zweit Staaten verlegt werden. Hier müsste zunächst die Identität eines jeden Menschen eindeutig festgestellt werden. Nur so können wir den unerwünschten Zuzug von Terroristen und Fundamentalisten verhindern. Weiterhin sollen straffällig gewordene Asylbewerber abgeschoben werden. Denn die Ausreden man hätte nicht gewusst, dass dieses Verhalten strafbar ist, mutet angesichts der Strafen für eben jenes Verhalten in den Heimatländern etwas willkürlich an.
Insgesamt ist „Die Brutstätte des Terrors“ eine Bestandsaufnahme der Zustände in Erstaufnahmelagern, ein Fingerzeig der Gefahren, denen wir ausgesetzt sind und eine Warnung. Fundiert recherchiert, weder romantisch verklärt, noch populistisch – es ist auf den Punkt und dieser tut weh.
Shams Ul-Haq
Die Brutstätte des Terrors – Ein Journalist undercover im Flüchtlingsheim
Ein Kommentar
Schreibe einen Kommentar →