Die possessorischen Besitzansprüche sind solche Ansprüche, die aus dem Besitz als solches abgeleitet werden und bei denen nicht nach einem Recht zu Besitz gefragt wird1.
Das Wort Possessorisch kommt aus dem lateinischen, lat. „possessio“ = Besitz oder auch „possessor“ = Besitzer.
Teil 1 – Der possessorische Herausgabeanspruch aus § 861 BGB
1. Besitzentzug beim Anspruchssteller
Anspruchsberechtigt ist der unmittelbare und der mittelbare Besitzer2.
Besitzentzug bedeutet den Verlust der Sachherrschaft. Hierbei ist eine Neubesitzgründung durch den Störer nicht notwendig (Z.B. wenn der Störer die Sache nach Besitzentzug wegwirft).
Aufgepasst! Bei Mitbesitz beachte § 866 BGB! Bei mittelbaren Besitz beachte § 869 S. 1 BGB!
Der Besitzentzug muss durch verbotene Eigenmacht (§ 858 BGB) erfolgen.
Verbotene Eigenmacht liegt vor, wenn der Besitzentzug ohne den Willen des Besitzers (vgl. § 858 Abs. 1 S.1 BGB) und ohne gesetzliche Gestattung (§ 858 Abs. 1 S.1 BGB) erfolgt.
Ohne den Willen des Besitzers liegt ein Besitzentzug vor, wenn keine Zustimmung von ihm vorliegt, z.B. weil er es garnicht weiß oder er sogar protestiert. Demgemäß wirkt eine Zustimmung tatbestandsausschließend! Da die Zustimmung aber widerruflich ist, kommt es auf den Zeitpunkt des Eingriffs an.
Ohne gesetzliche Gestattung ist der Besitzentzug, wenn z.B. keine Rechtfertigungsgründe für den Eingriff vorliegen. Als Rechtfertigungsgründe kommen z.B. in Betracht:
- § 227 BGB – Notwehr
- § 229 BGB – Selbsthilfe
- § 562b BGB – Selbsthilferecht des Vermieters
- § 859 BGB – Selbsthilfe des Besitzers (allerdings im engen zeitlichen Rahmen)
- § 860 BGB – Selbsthilfe des Besitzdieners
- § 904 BGB – Notstand
- § 910 BGB – Überhang
- § 962 BGB – Verfolgungsrecht des Eigentümers
- §§ 808 ff. ZPO – Zwangsvollstreckung in körperliche Sachen
Beachte: Schuldrechtliche oder dingliche Ansprüche sind durch Klage durchzusetzen und haben keine rechtfertigende Wirkung3.! (Schutz des Rechtsfriedens!)
2. fehlerhafter Besitz beim Anspruchsgegner
Die Fehlerhaftigkeit des Besitzes kann sich ergeben aus:
- Verbotene Eigenmacht des Anspruchsgegners, § 858 Abs. 2 S. 1 BGB – Der durch eigene verbotene Eigemacht erlangte Besitz ist fehlerhaft, diese Fehlerhaftigkeit schlägt bei mittelbarem Besitz auch auf den Oberbesitzer durch.
- Erbe des fehlerhaften Besitzers, § 858 Abs. 2 S. 2 1. Fall BGB – Der Erbe des fehlerhaften Besitzenden folgt ihm gem. § 857 BGB nach. Die Zurechnung erfolgt automatisch.
- fehlerhafter Besitz wurde bösgläubig erworben, § 858 Abs. 2 S. 2 2. Fall BGB – Der Besitz ist auch dann fehlerhaft, wenn der Erwerber zum Zeitpunkt des eigenen Besitzerwerbs positive Kenntnis von der Fehlerhaftigkeit des Besitzes seines Vorgängers hatte.
3. Kein Ausschluss nach § 861 Abs. 2 BGB
Der Ausschluss kann sich ergeben aus:
- Fehlerhafter Besitz gegenüber dem Anspruchsgegner, § 861 Abs. 2 BGB – War der entzogene Besitz des Anspruchsstellers gegenüber dem Anspruchsgegner bereits fehlerhaft, hat der Anspruchssteller kein Recht auf Wiedereinräumung.
- Fehlerhafter Besitz gegenüber dem Rechtsvorgänger des Anspruchsgegners, § 861 Abs. 2 BGB
- Nach Ablauf der Jahresfrist zwischen den Besitzwechseln, §§ 861 Abs. 2 a.E., 864 BGB
4. kein Erlöschen des Anspruchs nach § 864 BGB
Der Anspruch kann erlöschen durch:
- Ablauf der Jahresfrist, §§ 864 Abs. 1 BGB, 186 ff. BGB
- Rechtskräftiges Urteil zum Behaltendürfen, § 864 Abs. 2 BGB
- Entscheidungsreife, petitorische Widerklage, § 864 Abs. 2 BGB analog (nach hM)
Kurzschema, § 861 BGB:
1. Besitzentzug durch verbotene Eigenmacht beim Anspruchssteller
2. fehlerhafter Besitz beim Anspruchsgegner
3. Kein Ausschluss nach § 861 Abs. 2 BGB
4. kein Erlöschen des Anspruchs nach § 864 BGB
Literatur- / Vertiefungstipps:
Lehrbücher / Skripte
- Lüke, Sachenrecht*,
- Musielak, Examenskurs BGB*
- Hofmann, Skript Sachenrecht 1, Seite 11 (PDF hier)
- Vieweg/Regenfus, Examinatorium Sachenrecht*
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