Ein Schuldverhältnis ist ein Rechtsverhältnis zwischen den Vertragsparteien Gläubiger und Schuldner, es wirkt grundsätzlich nur zwischen den Parteien, also inter patres.
Neben den Rechten beinhaltet dieses Rechtsverhältnis auch Pflichten. Sie beschreiben wie der Schuldner sich zu verhalten hat. Vertraglich begründete Pflichten werden bestimmt durch
- zwingendes Gesetzesrecht (ius cogens), es kann durch vertragliche Vereinbarungen nicht abgeändert oder modifiziert werden
- den Willenskonsens der Vertragspartner
- nachgiebiges Gesetzesrecht (ius dispositivum), steht vertraglichen Regelungen nicht im Wege
Die Bestimmung der Pflichten erfolgt in dieser Reihenfolge. Sind einzelne vertragliche Vereinbarungen unklar, so muss der Vertrag nach den Interessen der jeweiligen Parteien ausgelegt werden.
Die Leistung
Gem. § 362 Abs. 1 BGB wird der Schuldner von seiner Leistung nur frei, wenn er die geschuldete Leistung bewirkt.
Unterschieden werden muss zwischen der Vornahme der Leistungshandlung einerseits und dem Eintritt des Leistungserfolges andererseits. Schuldet der Schuldner nicht nur die Vornahme bestimmter Handlungen, sondern auch die Erreichung eines bestimmten Erfolges (Schuldverhältnis im engeren Sinne), so bewirkt nach §362 Abs. 1 BGB nicht bereits die Vornahme der Leistungshandlung die Schuld zum erlöschen, sondern erst die Vornahme des Leistungserfolges. Nimmt der Gläubiger eine andere Leistung an die geschuldete vom Schuldner an, kommt es durch Leistung an Erfüllungs statt ebenfalls zum Erlöschen der Schuld (§ 364 Abs. 1 BGB).
Die Stück – und die Gattungsschuld
Gem. § 243 Abs. 1 BGB liegt eine Gattungsschuld (auch Genussschuld genannt) dann vor, wenn der Leistungsgegenstand von den Parteien nur der Gattung nach bestimmt ist. Gattung bezeichnet eine Gruppe von Gegenständen die gemeinschaftliche Merkmale wie Modell, Typ, Serie ect. aufweisen. (Bsp.: „zehn Blumenvasen“, „Gartenzwerge“ ect.). Bei einer Gattungsschuld ist eine Sache nach mittlerer Art und Güte zu leisten.
Dem gegenüber steht die Stückschuld (auch Spezieschuld). Hierbei wird die Sache konkret genannt und diese auch so zu leisten. (Bsp.: „Gartenzwerg mit roter Mütze“). Zu beachten ist: Liegt auch nur ein Stück mehr als eine Sache vor, so handelt es sich um eine Gattungsschuld.
Die Gattungsschuld an sich ist jedoch für den Gläubiger mit erheblichem Risiko verbunden.Denn: Der Schuldner schuldet die Erfüllung aus der gesamten Gattung. Heisst: Muss er 20 Blumenvasen leisten und er hat nur 18 muss er die fehlenden beschaffen. Durch Vereinbarung lässt sich die Gattungsschuld beschränken, z.B. auf den Vorrat der an Gattungsgegenständen vorhanden ist. ( Vorratsschuld)
Die Umwandlung einer Gattungsschuld in eine Stückschuld kann in drei Fällen der Fall sein:
- Der Schuldner hat seinerseits alles Erforderliche getan (§ 243 Abs. 2 BGB). Das Erforderliche ergibt sich hierbei aus der vertraglichen Vereinbarung
- Der Gläubiger gerät in Annahmeverzug (§300 Abs. 2 BGB)
- Die Parteien treffen eine entsprechende vertragliche Vereinbarung
Die Umwandlung einer Gattungsschuld in eine Stückschuld wird Konkretisierung genannt.
Wahlschuld und Ersetzungsbefugnis
Eine Wahlschuld liegt dann vor, wenn mehrere verschiedene Leistungen werden,bei der der Schuldner nur die eine oder die andere zu leisten hat. (§262 BGB). Hierbei ergibt sich die Wahlschuld entweder aus dem Gesetz oder aus der Parteienvereinbarung.
Die Ersetzungsbefugnis hingegen muss vereinbart sein, die ersetzungsberechtigte Vertragspartei kann anstelle der geschuldeten Leistung eine andere erbringen (Ersetzungsbefugnis des Schuldners) oder verlangen (Ersetzungsbefugnis des Gläubigers). Liegt eine Ersetzungsbefugnis des Schuldners vor, so kann er,entsprechend den jeweiligen Vereinbarungen, eine andere als die geschuldete Leistung erbringen, ohne das der Gläubiger diese zurückweisen darf.
Der Ort der Leistung
Unterschieden werden muss hierbei zwischen dem Leistungsort und dem Erfüllungsort.
Leistungsort ist der Ort an dem der Schuldner die Leistungshandlung erbringen muss.
Erfolgsort ist der Ort an dem der Leistungserfolg eintreten muss.
Leistungs – und Erfolgsort können,je nach vertraglicher Vereinbarung, zusammenliegen oder auseinanderfallen.
Bei der Holschuld liegen sowohl Leistungs – als auch Erfolgsort beim Schuldner.Z.B. ist dies der Fall wenn der Schuldner die erforderlichen Sachen zur Abholung durch den Gläubiger bereitgestellt hat, er hat demnach alles erforderliche getan.
Bei der Bringschuld liegen sowohl Leistungs – als auch Erfolgsort beim Gläubiger.Z.B. ist dies der Fall wenn der Schuldner die erforderlichen Sachen zum Gläubiger bringt und der diese auch annimmt.
Bei der Schickschuld liegt der liegt der Leistungsort beim Schuldner und der Erfolgsort beim Gläubiger.Z.B. schickt der Schuldner die Sache mit einem entsprechenden Transportunternehmen zum Gläubiger, sobald die Sache beim Gläubiger eingetroffen ist ist auch der Leistungserfolg eingetreten.
Good to Know: Geldschulden sind nach §270 BGB immer Schickschulden,wobei hier gegenüber der Gattungsschuld die Besonderheit besteht,dass keine Konkretisierung erfolgen kann.Geht das Geld unterwegs verloren muss der Schuldner erneut leisten!Dementsprechend trägt der Schuldner hier das Verlustrisiko. Bringt der Schuldner das Geld jedoch fristgerecht auf den Weg und es trifft verspätet ein,liegt das Verzögerungsrisiko beim Gläubiger. Daher wird die Geldschuld an sich auch qualifizierte Schickschuld genannt.
Die Leistungszeit
Für gewöhnlich kann der Gläubiger die Leistung sofort verlangen und der Schuldner sie sofort bewirken,sofern andere Regelungen zwischen den Parteien etwas anderes aussagen gelten diese Regelungen. Der Begriff der Leistungszeit bezeichnet damit den Zeitpunkt an der Schuldner frühestens leisten darf und den Zeitpunkt zu dem er leisten muss. In § 271 Abs.1 BGB sind der Zeitpunkt der Fälligkeit -> „Sofort verlangen“ und der der Erfüllbarkeit ->“sofort bewirken“ geregelt. Sowohl Fälligkeit als auch Erfüllbarkeit beziehen sich auf die Vornahme der Leistungshandlung.Sobald der Schuldner leisten darf und der Gläubiger diese nicht annimmt,kommt der Gläubiger in Annahmeverzug.
Good to Know:In bestimmten Fallkonstellationen wegen der Natur der Leistung kann eine verspätete Leistung für den Gläubiger sinnlos werden,denn mit Verstreichen des vereinbarten Leistungszeitpunkts oder -zeitraums wird die Erbringung der Leistung unmöglich (Bsp.: absolutes Fixgeschäft -> Lieferung eines Weihnachtsbaumes am 30.12 statt am 24.12!) Beim relativen Fixgeschäft kann die Leistungszeit von Bedeutung sein,wenn er nach seinem erkennbaren Willen mit Ihrer Einhaltung den Vertrag gewissermaßen „stehen und fallen“ lassen soll,ohne das hierbei die verspätete Leistung Unmöglichkeit bedeuten würde. (§323 Abs. 2 Nr.2 BGB)
Rücksichtnahmepflichten (Schutzpflichten) und Obliegenheiten
Aus dem Schuldverhältnis ergeben sich nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten. Diese sog. Rücksichtnahmepflichten sind in §241 Abs. 2 BGB geregelt. (Auch Schutzpflichten genannt)
Auf welche Rechte, Rechtsgüter und Interessen im Einzelfall Rücksicht zu nehmen ist,ergibt sich aus den jeweiligen Umständen. Da es aber eine Vielzahl an denkbaren Rechten, Rechtsgütern und insbesondere Interessen gibt, hat sich eine am Schutzinteresse orientierte Systematisierung entwickelt.
Es werden solche Pflichten unterschieden die auf den Bestands – oder Integritätsschutz gerichtet sind, von solchen die eine vertragsfördende Tendenz innehaben.Während die Bestands – und Integretitätsschutzpflichten darauf abzielen die Güter des Vertragspartners zu erhalten und zu bewahren (bspw. Leben,Gesundheit und Eigentum),sind die vertragsfördernden Tendezen zur Erreichung des im Vertrag fixierten Zieles gerichtet (bspw. Informations-,Aufklärungs- und Obhutspflichten).
Obliegenheiten sind von den Pflichten strikt zu Unterscheiden. Obliegenheiten dienen allein den Interessen der jeweiligen Vertragspartei,werden daher auch „Pflichten gegen sich selbst“ genannt.Während eine Pflichtverletzung zu Schadensersatzansprüchen und Vertragsbruch führen kann,führt eine Verletzung der Obliegenheiten zur Schwächung der eigenen Rechtsstellung.
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