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Die Verfassungsinterpretation

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Die Verfassungsinterpretation

 Rechtsnormen sind abstrakt angelegt. Bei konkreten Fällen ergeben sich häufig Fragen wie der Gesetzgeber den Wortlaut „gemeint“ hat und was eigentlich gewollt ist. Im Verfassungsrecht gibt es verschiedene Interpretationsmöglichkeiten.

 Hierbei gibt es die „subjektive“ und die „objektive“ Theorie.

 Bei der subjektiven Theorie soll das Gesetz in seinem historischen Kontext ausgelegt werden. Es soll also der Wille des Verfassers eines Gesetzes im geschichtlichen Zusammenhang bzw. der Entstehungsgeschichte ausgelegt werden.

 Dem gegenüber steht die objektive Theorie. Sie hat bei der Interpretation das Gesetz selbst zum Gegenstand und den damit verbundenen Willen des Gesetzes.

Die Objektive Theorie ist die anerkannte Methode der Verfassungsinterpretation, sowohl von der Lehre als auch vom Bundesverfassungsgericht selbst.

 Um ein Gesetz interpretieren und auslegen zu können, bedarf es aber weiterer Schritte.

 Die Grammatikalische Auslegung

 Der Sinn wird mithilfe des Wortlautes der Norm ermittelt. Der Wortsinn ergibt sich aus dem allgemeinen Sprachgebrauch, dabei sollte beachtet werden ob es neben der Umgangssprache noch eine Bedeutung in der juristischen Fachsprache gibt.

In den meisten Fällen ist der Wortlaut einer Norm nicht klar und deutlich, es würde dazu führen dass das Gesetz jede Eventualität beachten müsste und die einzelnen Begriffe definieren. Diese Vorgehensweise würde aber die Gesetze nicht nur lang und unverständlich machen, sie würde auch verlangen dass jede denkbare Fallkonstellation im einzelnen aufgeführt werden müsste.

Daher begegnen dem Studierenden  (und natürlich auch allen anderen) im Gesetz immer wieder unbestimmte Rechtsbegriffe, die jedoch durch die Norm selbst bereits begrenzt werden. Der Vorteil an dieser Vorgehensweise ist, dass der Begriff an sich dem Wandel der Zeit angepasst werden kann.

 Einige Beispiele:

  •  §242 BGB „Treu und Glauben“ als Generalklausel. Die Interpretation und Auslegung dieser Klausel ist so vielfältig, dass sie im gesamten Rechtsverkehr Anwendung findet.
  • Art. 12 GG „Beruf“ insbesondere in der Frage ob eine Nebentätigkeit als Beruf anzusehen ist und ob „neue“ Tätigkeiten als Beruf anzusehen sind.
  • § 224 I Nr. 2 StGB „Waffe“ z.B. bei der Frage ob ein Auto, wenn es dazu genutzt wird andere zu verletzen, als Waffe anzusehen ist.
  • § 994 BGB „Verwendung“  Bei der Frage ob eine Verwendung jede Vermögensaufwendung umfasst die einer bestimmten Sache zugute kommen soll, oder aber ob eine Verwendung nur solche Aufwendungen erfasst die dem Erhalt, Verbesserung oder der Wiederherstellung einer Sache dient.

 Die Systematische Auslegung

 Der Sinn ergibt sich aus dem Regelzusammenhang. Zunächst stellt der erste Absatz jeder Norm die allgemeine Regel auf, die dann in den folgenden Absätzen eine Einschränkung erfährt, Ausgedehnt wird oder aber Konkretisiert wird. Gelegentlich kann auch die Überschrift einer Norm schon erste Anhaltspunkte für eine Auslegung geben. Nicht außer Acht gelassen werden dürfen auch nicht die Stellung und Funktion der Norm im entsprechenden Abschnitt und dem ganzen Gesetz.

Aber auch bei der systematischen Auslegung können Fragen aufgeworfen werden.

Als Beispiel:

Es stellt sich die Frage ob die Schranke aus Art. 5 Abs. 1 GG (Meinungs- – und Pressefreiheit) auch für Art. 5 Abs. 3 GG (Wissenschafts- – und Kunstfreiheit) gilt. Zieht man das Mephisto – Urteil des BVerfG heran, sind die Schranken aus Art. 5 Abs. 1 GG nicht auf die Freiheit der Kunst und der Wissenschaft anzuwenden. Jedoch wird die Freiheit nicht schrankenlos gewährt, in diesem Falle greifen andere Grundrechte ein, z.B. durch kollidierende Verfassungsgüter (Verfassungsrechte Dritter).

 Die Teleologische Auslegung

 Entsprechend dem griechischen Wort „telos“ = Zweck, fragt diese Auslegungsmethode nach dem Sinn und Zweck der Norm. Hierbei bleiben die Entstehungszeit der Norm außer Acht, lediglich die Frage nach dem Zweck der gesetzlichen Regelung und die damit verbundene Wertung der Interessen spielen hier eine Rolle.

 Die Historische Auslegung

 Wie die Bezeichnung schon verrät: Hier spielen die Gegebenheiten zum Zeitpunkt der Entstehung der Norm eine Rolle.

Bei der Historischen Auslegung sind zwei Fragen von Relevanz:

Wie ist die Norm entstanden?

Die Entstehung einer Norm ist das Ergebnis eines Weiterbildungsprozesses innerhalb der Gesellschaft. Hierbei sollte betrachtet werden welche Zwecke der Gesetzgeber mit der jeweiligen Norm verfolgt hat und welche möglichen Probleme er damit regeln wollte.

 Gab es „Vorbilder“ für diese Regelung?

Die Entstehungsgeschichte von Gesetzen sagt etwas über ihre Anwendbarkeit aus. Häufig sind lange Sitzungen, Abstimmungen und Beratungen vorhergegangen bis überhaupt eine Norm entschieden werden konnte. So ist die Veränderung einer Norm von Relevanz, denn sie zeigt dass der Gesetzgeber mit ihr entstandene Probleme aufgenommen hat. Z.B.: Proteste gegen Regelungen oder die historischen Gegebenheit der Entstehungszeit sagen viel über den verfassungsrechtlichen Gedanken einer Norm aus.

 Als Beispiele seien hier genannt:

 Die Entstehung des Bürgerlichen Gesetzbuches die fast 25 Jahre in Anspruch genommen hat.

Die Entstehung des Grundgesetzes, welches sich an der Weimarer Verfassung orientiert, aber die Fehler dieser auszuräumen versucht hat.

 In der Literatur und vom BVerfG selbst wird die „objektive“ Theorie genutzt.

Dazu aus BVerfG 11,126,130:

 

„Während die „subjektive“ Theorie auf den historischen Willen des Gesetzgebers, auf dessen Motive in ihrem geschichtlichen Zusammenhang abstellt, ist nach der „objektiven“ Theorie, die in Rechtssprechung und Lehre immer stärkere Anerkennung gefunden hat, Gegenstand der Auslegung das Gesetz selbst, der im Gesetz objektivierte Wille des Gesetzgebers. […]

Um den objektiven Willen des Gesetzgebers zu erfassen, sind alle diese Auslegungsmethoden erlaubt. Sie schließen einander nicht aus, sondern ergänzen sich gegenseitig.“

Diesem Auslegungsziel dienen die Auslegung aus dem Wortlaut der Norm (grammatische Auslegung), aus ihrem Zusammenhang (systematische Auslegung), aus ihrem Zweck (teleologische Auslegung) und aus den Gesetzesmaterialien und der Entstehungsgeschichte (historische Auslegung).

 Speziell verfassungsrechtliche Auslegungsmethoden

 Prinzip der Einheit der Verfassung

 Verfassungsnormen sind so zu interpretieren, dass Widersprüche zu anderen Verfassungsnormen nicht entstehen.

 Prinzip praktischer Konkordanz

 Im Falle einer Kollision verfassungsrechtlich geschützter Rechtsgüter, sind die Grundrechte gegeneinander abzuwägen.

 Prinzip der funktionellen Richtigkeit

 Jedes Verfassungsauslegende Organ hat sich in seinem ihm zugewiesenen Kontrollbereich zu halten. So soll vermieden werden, dass die Gestaltungsfunktion des Gesetzgebers die über die durch die Verfassung gesetzten Grenzen hinaus andere Gestaltungsfunktionen wie z.B. die Gerichte ersetzt wird.

 Prinzip optimaler Verwirklichung der Verfassungsgebote

 Die gewählte Interpretation soll das Grundrecht am stärksten zur Geltung bringen.

 Ganz wichtig: Verfassungskonforme Auslegung

 Sind mehrere Interpretationsmöglichkeiten gegeben, so soll das Gesetz verfassungskonform ausgelegt werden.

Hierzu hat das BVerfG die sog. „Wechselwirkungslehre“ entworfen, die im Lüth- Urteil ( BVerfG 7,198) ihren Ursprung hat. Das Gericht entschied das jede Norm den Grundrechten entsprechen und in ihrem Sinne ausgelegt werden müssen. Denn die Grundrechte sind in erster Linie Abwehrrechte für den Bürger gegen Staat und garantieren ihm grundlegende Rechte in einem freiheitlichen demokratischen Staat.

 Kurz und bündig: Der Shorty zur Verfassungsinterpretation zum Download Shorty Verfassungsinterpretation


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